Das Fenster als Metapher in der Kunstgeschichte

Fenster sind in der Kunst immer wieder Gegenstand großer Maler. Aber das Fenster ist nicht nur ein Bildmotiv, ein Assessoire zu dem Haupt-motiv, sondern selbst eine Metapher:

Rolf Selbmann: „Fenster sind also keineswegs funktionale Glieder im Hausbau, sondern bedeutungsschwangere und intentionsgeladene Schwellenorte an der Schnittstelle von drinnen und draußen.“¹)

Fenster haben eine lange Geschichte in der Kunst vorzuweisen und stehen also vor allem als Trennung zwischen einem Innen und einem Außen oder sind zwischen Wirklichkeit und Illusion oder zwischen realer und virtueller Welt angesiedelt. Die Fenstermetapher reicht bis in unsere heutige mediale Welt: Der Fernseher als Fenster zur Welt, man könnte fragen in welche Welt, in die reale oder die uns vorgegaukelte mit ihren Manipulationen, Abartigkeiten, ihren Fake News? Und nicht zuletzt der Computer, der seit den 80 er Jahren die von Xerox PARC erfundene Windows-Oberfläche hat, die einen Durchbruch im Bedienkonzept von Computern darstellt.

Der Stellenwert des Fensters ist unmittelbar einleuchtend: Auf Grund seiner Flächigkeit, seines Rahmens, seiner rasterförmigen Binnen-gliederung sowie seiner Transparenz eignet sich das Fenster für grundsätzliche Interpretationen und Deutungen. An der Schnittstelle zwischen einem Innenraum und einem Außenraum erlaubt das Fenster den Blick von einer Privatsphäre nach draußen – als Bildfenster – und den Blick nach drinnen als Schaufenster. So hat Leonardo da Vinci das Auge als Fenster der Seele bezeichnet und die Gebrüder Grimm das Fenster ähnele einem Auge des Hauses, das Auge einem Fenster des Leibes.

Stefan Rasche untersuchte in seinen Studien zum Fensterbild nach 1945 Bilder und Werkgruppen von fast hundert Künstlern und konstatiert eine ungebrochene Attraktivität des Fenstermotivs bis heute.²)

Thomas Grochowiak gliedert 1976 das Werke einer Ausstellung in der Kunsthalle Recklinghausen mit Fenstermotiven in 7 Themenkomplexe: u. a. in sozial-kritische, romantische, voyeuristische und ankedotische Bildfindungen.

Das Fenster setzt mit seinem Rahmen einen Ausschnitt aus der Realität; das Foto entspricht in analoger Weise ebenfalls einem Realitätsausschnitt, ist also ebenfalls ein „Fenster“.

Siehe auch Rezension Fresh Widow

  1. Selbmann, R.: Ausblicke, Einblicke, Durchblicke. Eine kleine Geschichte des Fensters bis zur Moderne. In: Kunstsammlung NRW (Hrsgb.): Fresh Widow. Fenster-Bilder seit Matisse und Duchamp. Hatje Cantz Verlag, Ostfildern 2012
  2. Rasche, S.: Das Bild an der Schwelle. Motivische Studien zum Fenster in der Kunst nach 1945. In: Theorie der Gegenwartskunst Band 15. Uni. Diss. Münster 2001. Lit. Verlag Münster 20

 

Wolfgang Ahrens, im September 2017