Riccarda Menger (*1957) ist eine Bildhauerin aus Deutschland, sie lebt und arbeitet in Leichlingen im Bergischen Land.

Wolfgang Ahrens gab sie im Interview Einblicke in ihre künstlerische Laufbahn und erläuterte ihre Beweggründe und Motivationen.

Wolfgang Ahrens: Riccarda du bist eine Frau, die mitten im Leben steht, beruflich wie künstlerisch, was hat dich zur Bildhauerei geführt und warum mit Steinen?

Riccarda Menger: Die Arbeit mit und am Stein erlebe ich als wunderbare und kraftvolle Ergänzung zu meiner sitzenden, eher verkopften Bürotätigkeit in einer schnelllebigen, virtuellen Berufswelt.

Ja, ich arbeite vorzugsweise mit Stein, aber auch mit Holz, beides klassische Bildhauermaterialien. Sie sind geprägt von Dauer, Beständigkeit und verdichteter Energie, sind Symbole uralter Kräfte und fordert solche Kräfte auch von seinem Gegenüber. Interessierte mich anfänglich nur das handwerkliche, war ich im Tun, dem harten Material eine neue Form zu geben, bei meinen inneren Grenzen und Widerständen. Das Aufbrechen der Oberfläche durch rhythmische Einschnitte mit der Trennscheibe oder das intuitive Arbeiten mit der Kettensäge transformieren Steinblöcke und Holzstämme in bewegte Formen und stehen metaphorisch für Lebensthemen.

Wolfgang Ahrens: Was bedeutet für dich die bildhauerische Auseinandersetzung mit Lebensthemen?

Riccarda Menger: In unserer schnelllebigen, multitasking-Welt, in der Stillstand Rückschritt bedeutet, innezuhalten und auf die eigenen Seelenzustände zu besinnen, wahrzunehmen und zum Ausdruck zu bringen, ist Thema meiner bildhauerischen Arbeit. Aktuell beschäftigt mich sowohl die Ambivalenz und Balance zwischen Polaritäten wie Stillstand und Bewegung als auch die Spannung zwischen der Schwere des Materials und der Leichtigkeit der Form.

Wolfgang Ahrens: Du verwendest die Materialien Holz und Stein für den Ausdruck deiner bildhauerischen Arbeit. Ich würde gerne noch etwas beim „Material“ und dem „Prozess“ verbleiben. Was sind das für Hölzer, Steine? Gibt es Vorlieben? Wie muss man sich deine Arbeit mit dem Material denken?

Riccarda Menger: Ja, ich habe Vorlieben. Grundsätzlich bevorzuge ich harte und widerstandsfähige Materialien. Ich bin regelmässig auf der Suche nach neuen Hölzern und Steinen, es ist ein fester Bestandteil meiner Arbeitsweise, hier bin ich im direkten Kontakt mit der Natur. Beim Holz bevorzuge ich vor allem Robinienholz und Eiche aus heimischen Wäldern von Bäumen, die umgestürzt sind, beides Hölzer, die absolut witterungsbeständig und somit für den Aussenbereich hervorragend geeignet sind. Das Holz bearbeite ich mit der Kettensäge, dem Werkzeug des Waldarbeiters, aus dem Stamm heraus. Kettensäge hört sich ersteinmal zerstörerisch an, mir aber geht es um das spontane, intuitive Arbeiten aus dem Bauch heraus, schneller als die menschlich gesteuerte Vernunft.

Beim Stein bevorzuge ich Granit und Diabas, momentan arbeite ich mit ausgedienten Grabsteinen und –umrandungen. Hier ist die Arbeitsweise eine ganz andere. Das kontrollierte Ansetzen der Flex, das Aufbrechen der Oberfläche durch rhythmische Einschnitte transformiert harte Blöcke in bewegte Formen.

Wolfgang Ahrens: Riccarda, nun ist ja noch kein Meister vom Himmel gefallen, hast du eine Ausbildung genossen und wenn ja bei wem und wo?

Riccarda Menger: Meine erste Berührung mit Stein hatte ich 2005 im Kunstbüdchen bei dem Leichlinger Künstler Berthold Welter. Bei ihm habe ich die Grundtechniken der Bearbeitung des Steins gelernt, also von der Pike auf. Durch ihn hatte ich auch Gelegenheit im Steinbruch direkt vor Ort klassisch mit Hammer und Meißel zu arbeiten. Da mich diese Arbeit faszinierte, habe ich parallel von 2009 bis 2012 ein Basisstudium Bildhauerei in der Bildhauerhalle in Bonn absolviert. Hier habe ich mein Spektrum an Materialien und Techniken erweitert.

Wolfgang Ahrens: Gab es bei diesem Studium eine Abschlussarbeit ?

Riccarda Menger: Ja, zum Abschluss des Studiums wurde ein ganzes Jahr lang frei an einem Thema gearbeitet.

Wolfgang Ahrens: Welches war dein Thema und wie hast du es bearbeitet?

Riccarda Menger: Mein Thema war Befreiung. Inhaltlich ging es um Befreiung auf der ganz persönlichen Ebene, also um das Aufbrechen aus festgefahrenen Strukturen, das eigene Anhaften an Vorstellungen und sich frei machen von Fremdbestimmung. In der Umsetzung stellte sich mir immer wieder die Frage, wie gestalte ich bildhauerisch diesen Prozess, der sich in seinen Erscheinungsformen ständig verändert und wählte daher für die Umsetzung vd. Materialien und Techniken.

Wolfgang Ahrens: Mir fällt da eine Skulptur auf, eine Figur, die sich sozusagen von dem Stein, der sie gefangen hält, befreit.

Riccarda Menger: Sie verkörpert quasi als Metapher den Befreiungsprozess, den ich meine.

Wolfgang Ahrens: Was würdest du unter einer Kontextverschiebung des Materials verstehen, das heute viele Konzeptkünstler beherzigen?

Riccarda Menger: Nun, ich bin keine Konzeptkünstlerin und ich weiß nicht, ob man diesen Begriff auf meine Arbeiten anwenden kann. Vielleicht kann man das aus dem Begriff unmittelbar ableiten. Meine Materialien habe ich nicht nur aus Steinbrüchen, sondern oft benutze ich ausgediente Grabsteine und Grabumrandungen. Der Kontext des Steins ist damit beschrieben. Wenn ich dem Stein nun eine andere Bedeutung mitgebe, also z.B. die Aussage eines Lebensthemas, dann stellt dies vielleicht eine Kontextverschiebung dar. Darüber muss ich mal nachdenken…

Wolfgang Ahrens: Riccarda, eine letzte Frage: Was sind deine nächsten Projekte?

Riccarda Menger: Nach langem Suchen habe ich nun endlich eine eigene Werkstatt gefunden und somit bin ich momentan vorrangig mit der Einrichtung und Arbeiten im selbigen beschäftigt. Ich arbeite weiter an eingangs genannten Themen, welche ich vom 2.10. bis 4.10.15 auf der Kunstausstellung ARTLOKAL in Windeck präsentieren werde. Du bist herzlich eingeladen.

Wolfgang Ahrens: Dann bleibt mir nur danke zu sagen für das informative Interview und dir viel Erfolg zu wünschen bei deinen weiteren Projekten.

Wolfgang Ahrens, im August 2015