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Eine fast philosophische Betrachtung

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Wir werden immer wieder gefragt warum wir einen doch sehr eigenwilligen Namen für unsere Home-Page gewählt haben.

Die einfachste Antwort wäre wohl die, weil uns nichts Besseres eingefallen ist.

Eine zweite Antwort könnte allerdings eine eher sich am Philosophischen orientierende sein:

Als Menschen sind wir in Zeit und Raum gestellt. Im Hier und Jetzt sind wir geprägt von unserer Geschichte und Kultur, auch und gerade was unser Kunstverständnis und unsere Kunstrezeption angeht, und wir haben eine Sozialisation erfahren, die sich an unseren hiesigen Werten und Traditionen orientiert.

Als Fotografen und bildende Künstler sind wir in eine Tradition der Bildproduktion gestellt, die ihre Anfänge bei den Höhlenmalereien vor rund 30.000 Jahren hatte, die über die Jahrhunderte von der Antike, über das Mittelalter, diverse Kunstrichtungen wie die Renaissance, Barock, Moderne, Postmoderne reicht. Die Geschichte des Bildes hat sehr viel mit Religion zu tun und ist bis in unsere Tage (Je suis Charlie) von einer Blutspur durchzogen. Der byzantinische Bilderstreit im 8. und 9. Jahrhundert war ein erster großer Höhepunkt in der Ausein-andersetzung zwischen Bilderverehrern (Ikonodulen) und Bilder-ablehnern (Ikonoklasten). Der Sieg der Ikondulen über die Ikonoklasten 843 n. Chr. wird jährlich von den orthodoxen Christen am ersten Sonntag der Fastenzeit als Fest der Orthodoxie gefeiert.

Der Islam verbietet Bildnisse generell und insbesondere die Darstellung von Mohammed. Mit der Reformation eines Martin Luther gab es einen weiteren Höhepunkt in der Bilderverfolgung, die bis heute fortwirkt.

Rund 175 Jahre Fotografiegeschichte liegen hinter uns, die ganz erhebliche technische Umwälzungen zu verzeichnen hat: von der Chemie zur Elektronik auch als Analog- vs. Digitalfotografie bezeichnet, von der S/W-Fotografie zur Farbfotografie, vom Standbild zum bewegten Bild, von riesigen Apparaten bis zum Handy/Smartphone, von einer Technologie für Einzelne zu einem Massenphänomen.

Kunstwissenschaftler suchen heute in der Selfiefotografie nach neuartigen Bildkonzepten und -sprachen. Prof. Peter Fischer-Priel konstatiert ein globales Kunstverständnis auf Basis der weltweit verfügbaren elektronischen Bildverarbeitung mit Photoshop.

Die Fotografie wird zumindest in Teilen als Kunst verstanden und hat ihren Weg in die Museen gefunden. Die Versteigerungserlöse auf Fotoauktionen erzielen Spitzenwerte bis zu zweistelligen Millionenbeträgen.

Der hermeneutische Zirkel

Viele Besucher unserer Home-Page haben ein Verständnisproblem mit moderner künstlerischer Fotografie, obwohl wir bewusst auch nicht-künstlerische Fotografie betreiben. Das ist verständlich, uns gefällt auch nicht jedes Kunstwerk und auch wir können nicht mit allem etwas anfangen. Wenn uns aber schon nicht alles gefällt, bleibt die Frage, ob wir in der Lage sind das Kunstwerk zumindest zu verstehen? /2/*)

Für ein modernes Kunstverständnis sind drei Dinge notwendig. Dieses Konstrukt wird auch als hermeneutischer Zirkel bezeichnet:

1. das Werk, um das es geht,

2. den Kunstrezipienten/Betrachter gestellt in Zeit und Raum und

3. die Zeit, in der das Werk entstanden ist.

Die These vom hermeneutischen Zirkel als Voraussetzung der hermeneutischen Methode wurde wohl erstmals von dem Altphilologen Friedrich Ast (1778 bis 1841) aufgestellt und 1808 veröffentlicht:

Der Ausdruck Hermeneutischer Zirkel (von griech. „auslegen, erklären, übersetzen“) ist eine zunächst visuelle Vergegenständlichung der zwischen Autor und Rezipient widersprüchlichen Interpretationssituation und der geisteswissenschaftlichen Bemühungen zu ihrer Überbrückung u. a. in Bezug auf Texte geschichtlichen oder psychologischen Inhalts oder auf Kunstwerke.

Der Begriff des Kunstwerks wurde im Laufe seiner Geschichte verschieden definiert, teils weiter und teils enger. Engere Definitionen ordnen dabei nicht jedem künstlerischen Erzeugnis den Status eines „Werkes“ zu.

Ein Beispiel dafür ist Theodor W. Adornos Begriff des autonomen Kunstwerks, der nur einen sehr begrenzten Teil ausschließlich der abendländischen Kunst erfasst.

Andere Definitionen bemühen sich darum, ein möglichst breites Spektrum der Kunst zu erfassen. Ein Beispiel hierfür ist der Begriff des Kunstwerks, den Walter Benjamin in seiner Schrift Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit anwendet und der danach strebt, auch neuen Kunstformen den Status des „Werks“ zuzuerkennen. Benjamin stellt die Reproduktion dem originalen Kunstwerk gegenüber und sieht dessen Echtheit in der Einmaligkeit und dem Hier und Jetzt des Gegenstands. Er trägt seine Geschichte als Kulturerbe in sich und ist orts- und zeitgebunden, die Echtheit ist nicht reproduzierbar.

In Abgrenzung vom Kunstwerk gibt es auch den Ausdruck Kunstgegenstand, der Objekte bezeichnet, die neben ihrer künstlerischen Anmutung auch noch einen anderen Zweck erfüllen, wie sie Kunstgewerbe (Angewandte Kunst) oder Kunsthandwerk, aber auch z. B. die Architektur produzieren.

*) Die Zahl bezieht sich auf die Literaturliste

Der britische Philosoph und Mathematiker Alfred North Whitehead fügt den Begriffen Zeit und Raum noch den Begriff Materie hinzu. Grundlage der wissenschaftlichen Begrifflichkeit in der Newtonschen Physik und dem zugrunde liegenden Naturschema bilden die jeweils voneinander unabhängigen Kategorien „Raum“, „Zeit“ und „Materie“. Raum und Zeit sind bei Newton wie ein Behälter, in dem jedes Materieteil einen bestimmten Platz hat. Diese mechanistische Naturauffassung ist für Whitehead jedoch generell ungeeignet, um Veränderungen darzustellen. So müsste beispielsweise jede Richtungsänderung eines (theoretisch unendlich harten) Körpers in der klassischen Mechanik mit unendlich hoher Geschwindigkeit erfolgen. Die Anwendung dieses Schemas in der Physik führt nach Whitehead zum „Trugschluss der unangebrachten Konkretisierung“ („Fallacy of misplaced concreteness“). Er argumentiert dabei, dass sich die scheinbar eindeutige Zuordnung von sehr abstrakten und vereinfachenden Begriffen zu umfassenden Beschreibungen der Wirklichkeit nicht mit unseren unmittelbaren Erfahrungen deckt, denn wir brauchen immer eine konkrete Gesamtheit, um daraus ein Teil zu isolieren. Ein Teilproblem davon ist der „Trugschluss einfacher Lokalisierung“ („fallacy of simple location“). Die Zuweisung eines Raumpunktes zu einer bestimmten Form Materie setzt die Unabhängigkeit beider Kategorien voraus. Dies führt aber nach Whitehead unweigerlich in Widersprüche. Dasselbe gilt für die Beziehung zwischen Zeit und Materie. So muss Vergangenes in der Gegenwart anwesend sein, damit wir Erinnerung besitzen können, die ja mit der materiellen Form korrespondiert. Ebenso wird der Materie eine „instantane Existenz“ zugesprochen, also eine nicht-zeitliche Präsenz, die für Whitehead jeder Erfahrung widerspricht, die Existenz nur anhand einer Dauer vermittelt. (aus: Wikipedia)

Zur Rezeptionsästhetik

Mit dem Aufkommen des Internets und der Präsentation von Werken der Bildenden Kunst in Bildagenturen, auf Home-Pages oder sozialen Netzwerken verändert sich die Bildrezeption, man spricht auch von einer anderen Rezeptionsästhetik.

Das Betrachten eines Bildbandes oder der Besuch einer Kunstausstellung sind zwei unterschiedliche Rezeptionsarten mit ihren eigenen Gesetzen. Eine Home-Page wird nicht Seite für Seite gelesen oder durch die Führung eines sachkundigen Kunsthistorikers erschlossen. Deswegen war es uns ein besonderes Anliegen, die Navigation durch den Kontent (Bild, wie Text) so flexibel wie möglich zu machen. Wir bieten allein 5 Navigationsmöglichkeiten an, die man beliebig nutzen kann und hoffen damit, einen Beitrag zur Barrierefreiheit geleistet zu haben.

So bietet die Sitemap einen schnellen Überblick über den Gesamtkontent an. Die Seite „Was hat sich seit der letzten Version geändert?“ hilft gezielt auf Neuerungen zugreifen zu können. Ansonsten ist die Navigation hierarchisch über Pull-Down-Menüs angelegt. Wir haben weiterhin Wert auf eine bildschirmfüllende Größe der Bilder gelegt. Ein guter brillanter Bildschirm ist hilfreich für eine ansprechende Präsentation/Rezeption.

Der Klick auf ein Bild hat immer eine Reaktion zur Folge.

Neben einem intuitiven Navigieren durch den Content geht es uns aber auch darum Sachverhalte zu vermitteln, die nicht unmittelbar zugänglich sind. Im Gegensatz zu vielen künstlerischen Home-Pages bieten wir für den Interessierten textliche Erklärungen an, in der Hoffnung die eine oder andere Arbeit „verständlich“ zu machen und verweisen auf vielfältige Links und Literatur.

Die Seiten der Home-Page, die man vielleicht mit künstlerischer Fotografie umschreiben könnte, zeigen Bilder, die sich nicht sofort einer Interpretation erschließen. Dazu zählen z. B. die Konkrete/Abstrakte Fotografie oder die abstrakte Malerei. Unter künstlerischer Fotografie verstehen wir eine solche, die sich weitgehend vom Dokumentarischen, Abbildenden entfernt.

Ein ganz zentraler Begriff unserer Arbeiten ist der der Abstraktion. Dokumentarfotografie kann muss aber nicht mit Abstraktion einhergehen. Abstrahieren kann der Fotograf wie der Bildbearbeiter auf vielfältige Weise. Unsere Welt ist bunt, bei einer S/W-Fotografie wird bewusst von der Farbe abstrahiert, nicht weil viele vor allem ältere Fotografen das nicht anders gelernt haben, sondern weil die Ästhetik eine andere anspruchsvollere ist. Je näher der Fotograf seinem Motiv auf die „Pelle“ rückt, umso mehr abstrahiert er von dem Objekt. Spiegelungen und Unschärfe sind weitere Methoden der Abstraktion. Serialität und Typisierung sind zusätzliche Konzepte künstlerischer Fotografie.

Vereinfachend kann man sagen, je schneller der hermeneutische Zirkel durchlaufen wird, je schneller man also erkennt, was der Fotograf will, umso simpler ist das Bild gestrickt. Das kann trotzdem ein „schönes“, ansprechendes Bild sein.

Es gibt durchaus eine künstlerische Haltung, die dem Bild eine Erklärung, gar einen Titel verweigert, weil der Künstler/Fotograf der Meinung ist, dass das Bild sprechen, „ansprechen“, muss und Erklärungen und Bildtitel nur vom Bild ablenken. Dieser Meinung kann man sein, das eine oder andere erklären wir trotzdem.

Wir wünschen viel Spaß mit unserer Home-Page und sollten Fragen sein, wir beantworten sie gerne, wenn wir können.

Wolfgang Ahrens, im März 2016

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